Reiki und seine Geschichte
Es gibt so viele verschiedene Reiki-Stile und Richtungen, dass man leicht den Überblick verliert. Entsprechend gibt es auch verschiedene Geschichten über die Entstehung des Reiki. Wie kam es nun zu dem Reiki wie es heute bekannt ist? Allen gemeinsam ist, dass ein Japaner namens Mikao Usui Reiki wiederentdeckt bzw. entwickelt hat. Aber dann scheiden sich die Geister.
Lange Zeit kursierten zwei verschiedene Versionen, zum einen dass Reiki eine alte Lehre tibetischer Mönche ist, die von Usui wiederentdeckt wurde und zum anderen, dass Usui eine Erleuchtung hatte und so Reiki zu ihm gekommen ist. In den 1990igern haben verschiedene Personen versucht, mehr über die Ursprünge des Reiki in Erfahrung zu bringen. Daraus hat sich inzwischen eine relativ einheitliche Version herauskristallisiert.
Ich denke, was alle Reiki-Stile gemeinsam haben, ist dass der Zugang zur Energie durch ein Ritual, meist eine sogenannte „Einweihung“, seltener durch eine „Verstärkung“, intensiviert wird. Auch gibt es gewisse Dinge, die sich durchziehen wie die Selbstbehandlung und die Behandlung von anderen.
Reiki – Eine Methode entwickelt von Mikao Usui
Als Hauptquelle für die hier berichtete Version der Geschichte von Reiki dienten die Bücher von Taggart King (2004, 2005, 2009). Er hat unter anderem von einer Person Reiki gelernt, die Reiki von einer früheren Schülerin Usuis gelernt hat. Diese Person möchte jedoch anonym bleiben. Ähnliche Informationen (aber nicht in allem übereinstimmend) wurden von Frank Arjava Petter aufgedeckt und unter anderem im dem Buch, das er 2002 gemeinsam mit Walter Lübeck und William Lee Rand herausgebracht hat, behandelt. Daher gebe ich nur einen kurzen Abriss.
Der Japaner Mikao Usui (1865 – 1926) ist der Begründer des sogenannten Reiki.
Den Überlieferungen zufolge war Usui vielseitig interessiert und hat sich mit großem Wissensdurst mit Medizin, Psychologie, Hellseherei und verschiedenen Weltreligionen auseinandergesetzt. Außerdem waren seine Fähigkeiten in einer japanischen Kampfsportart sehr hoch angesehenen.
Taggart King (2004 und 2005) schreibt, dass die Wurzeln des Reiki aus dem Tendai Buddhismus (einer Form des mystischen Buddhismus), dem Schintoismus (eine japanische Religion) und Shugendo (Bergaskese) stammen. Der Buddhismus hat spirituelle Lehren und Verstärkungen beigetragen, der Schintoismus Methoden zum Kontrollieren von und Arbeiten mit Energien und Shugendo hat die Grundsätze beigesteuert, auf denen Usui die heutigen Reiki-Lebensprinzipien aufgebaut hat. Zusätzlich ist weiteres Wissen, das Usui im Laufe der Jahre gelernt hat, wie zum Beispiel aus Kampfkünsten, in die Entwicklung seiner Methode eingeflossen. Auch der Austausch von Usui mit anderen Menschen, die zur damaligen Zeit ähnliche Interessen hatten, hat zu der Entwicklung des Reiki beigetragen.
Auch wenn Reiki teilweise aus Religionen abgeleitet worden ist, war es für Mikao Usui wichtig, dass seine Methode frei von religiösem Glauben ist und alle, die es lernen gleichwürdig und -wertig sind. Somit ist Reiki für alle offen.
Reiki in seiner ursprünglichen Form
Nach einigen Überlieferungen unterscheidet sich die ursprüngliche Form des Reiki, wie sie von Mikao Usui praktiziert und gelehrt worden ist, zum Teil deutlich von der heute am stärksten verbreiteten Form. Mikao Usuis Fokus lag auf der persönlichen Weiterentwicklung und Heilung, nicht auf der Heilung anderer. Außerdem hatte ‚Reiki‘ eigentlich keinen Namen. Gegebenenfalls sprach Mikao Usui von der ‚Methode, um persönliche Perfektion zu erreichen‘. Seine SchülerInnen bezeichneten es als ‚Usui Do‘ oder ‚Usui Teate‘, was soviel heißt wie ‚Handauflegen nach Usui‘.
Entsprechend der Übersetzungen von Mikao Usuis Gedenkstein war er ein sehr bekannter und populärer Heiler, der sehr viele Schülerinnen und Schüler in ganz Japan hatte.
Usuis Schülerinnen und Schüler haben mit einer Behandlung durch Usui angefangen. Er hat ihnen Verstärkungen des Energiekanals (entsprechend dem 1. Grad „Shoden“) gegeben, so dass sie dauerhaft mit der Reiki-Energie verbunden waren und sich zwischen den Behandlungsterminen selbst weiter behandeln konnten.
Wenn der Wunsch bestand, hatten sie die Möglichkeit, mit ihm tiefer in Reiki einzusteigen, jedoch hat er das Tempo vorgegeben. Usui entschied, ob die Schüler fortgeschritten genug waren, um mehr zu lernen oder eine weitere Verstärkung des Energiekanals zu erhalten.
Seit etwa 1920 benutzte er dazu ein kleines Handbuch. Darin wurden keine standardisierten Handpositionen vermittelt, um andere zu heilen, sondern Usui lehrte ein intuitives Hineinhorchen in sich selbst und in die Verbindung mit der Energie. Und er half den Menschen ihren Horizont durch die Lebensprinzipien, Meditationen und Waka-Dichtungen zu erweitern.
Taggart King (2009) berichtet, dass von den über 1000 Schülern von Usui 50 bis 70 die erste Stufe des 2. Reiki-Grades „Okuden“ erreichten und vielleicht 30 die zweite Stufe des 2. Grades. Usui habe 17 Leute im 3. Grad „Shinpiden“ unterrichtet.
Shin Reiki ist das, was einige Personen über die Form, wie Mikao Usui seine Schüler unterrichtet hat, herausgefunden haben, gemischt mit dem Reiki, das später weitergegeben wurde (im Wesentlichen das USUI-System).
Zu den originalen Techniken, die nun allgemein zugänglich sind, schreibt Taggart King (2005, S. 35, frei übersetzt) Folgendes:
„Die original japanische Form des Reiki unterscheidet sich sehr stark davon, wie es inzwischen im Westen praktiziert wird. Was mich am meisten an dem originalem Usui Reiki beeindruckt, ist die Tatsache, dass es so einfach ist, so elegant, kraftvoll und frei. Das System verheddert sich nicht in endlosen mechanischen Techniken und komplexen Ritualen, die nun die meisten der westlichen Reiki-Stile mit endlosen Regeln und Vorschriften und Einschränkungen belasten.
Der zentrale Fokus von Mikao Usuis Reiki war der persönliche Nutzen, der daraus entsteht, dass man sich selbst verpflichtet, mit dem System zu arbeiten, in Bezug auf Selbstheilung und spirituelle Entwicklung. Reiki war ein Weg zur Erleuchtung. Andere zu heilen war nur ein kleiner Aspekt des Systems, nicht betont, nicht fokussiert; es war einfach etwas, das man machen konnte, wenn man Usuis System folgte.“
Die Verbreitung von Reiki durch Usuis Schüler
Das USUI-System
Der wohl am weitesten verbreitete Zweig Reikis folgt dieser Linie: Ein Meister-Schüler Usuis war Dr. Chujiro Hayashi (1878 – 1940), Kapitän und Arzt der kaiserlichen japanischen Marine. 1925 nahm er das Meistertraining bei Usui auf, neun Monate später ist Usui verstorben. Daher vermutet Taggart King (2005), dass Hayashi nicht in die tiefen Lehren des Reiki einsteigen konnte, da die Aufnahme des Unterrichts zum Meistergrad der Beginn einer langen Lehrzeit war.
Nach Usuis Tod hat Hayashi zusammen mit anderen Marineoffizieren die Usui Reiki Ryoho Gakkai (siehe unten), eine Gesellschaft zum Gedenken an Usui, gegründet. Er verließ diese jedoch nach einiger Zeit.
Nachdem Hayashi seinen Unterricht nach Usuis Tod bei einem von Usuis Schülern vervollständigt hatte, eröffnete er eine Klinik und lehrte Reiki in einer von ihm abgewandelten Form. Er gab seinen Schülern ein 40-Seiten-Lehrbuch, das die von ihm entwickelten Handpositionen zur Behandlung verschiedener Krankheiten beinhaltete.
Eine Schülerin von ihm war Hawayo Takata (1900 – 1980). Sie lebte auf Hawaii. Hayashi unterrichtete Takata 1939 im Meistergrad und gab ihr die Erlaubnis, Reiki im Westen (in den USA) zu unterrichten. Sie war vermutlich die letzte von 13 Personen, die Hayashi zum Reiki-Meister eingeweiht hat. Zwischen 1970 und ihrem Tod 1980 hat Hawayo Takata 22 Reiki-Meister eingeweiht. Diese haben ihre Reiki-Tradition weitergegeben, so dass Reiki sich über Nord- und Südamerika, Europa, Neuseeland und Australien bis in viele Teile der Welt ausbreiten konnte.
Bis etwa Mitte der 1990iger ließen sich alle Reiki-Praktizierenden in der westlichen Welt von ihr ableiten und konnten ihre „Abstammung“ über sie zu Hayashi und Usui zurückverfolgen.
Das von Frau Takata weitergegebene Wissen wird häufig kritisiert, da angenommen wird, dass sie die Geschichte zu ihrem Vorteil ausgelegt hat und unterstellt wird, die Ausbildung unnötig teuer gemacht zu haben und gleichzeitig wesentliche Elemente und Techniken, die später wiederentdeckt wurden, unterschlagen zu haben. Hierzu möchte ich Taggart King (2005, S. 24 f.) zitieren (frei übersetzt):
„Aber es kann für Frau Takata nicht einfach gewesen sein, nach dem Zweiten Weltkrieg eine japanische Heilungsmethode in den USA zu lehren – angesichts der Erinnerungen an Pearl Harbour. […]
Aus diesem Grund war Hawayo Takata gezwungen, das Reiki, das sie von Chujiro Hayashi gelernt hat, zu verändern und zu vereinfachen, um es für die Leute aus dem Westen akzeptabel zu machen, mit denen sie zu tun hatte. Und das Reiki, das sie von Dr. Hayashi gelernt hat, wurde schon von ihm verändert, nachdem er von Mikao Usui gelehrt wurde. Frau Takata musste nicht nur die Reiki-Übungen verändern, sie fühlte sich auch verpflichtet, sich eine Erzählung über die Geschichte des Reiki auszudenken, um es für die feindliche amerikanische Öffentlichkeit akzeptabler zu machen. So ging Mikao Usui, der Tendai Buddhist, und es kam Dr. Mikao Usui, der christliche Theologe, der die Welt auf der Suche nach einem Heilungssystem bereist hat, das die Heilungswunder erklärte, die Jesus geleistet hat. Damit sind die Geschichten über Usui als christlicher Arzt, der auf eine weltweite Suche ging und Theologie an verschiedenen Universitäten auf seinem Weg studierte, nicht wahr. Trotzdem werden sie in Reiki-Büchern wiederholt, sogar in erst kürzlich veröffentlichten.
Ebenso wie sie die Reiki-„Geschichte“ zusammengesetzt hat, beschloss Frau Takata als „Große Meisterin“ des Reiki angesprochen zu werden, um zwischen sich und den Meistern, die sie unterrichtet hat, zu unterscheiden. Das ist ein Amt, eine Position, ein Titel, der nicht von Mikao Usui vorgesehen war. Reiki basiert nicht auf der Idee von Gurus oder großen Meistern, denen man Huldigung schuldet. Unglücklicher Weise, haben sich einige Leute der Reiki-Gemeinschaft sehr der Idee des „Amtes eines großen Meisters“ verschrieben. Das sehe ich als enge und dogmatische Sichtweise des Reiki, das von der derzeitigen Amtsinhaberin, Frau Takatas Enkeltochter, Phyllis Lei Furumoto gutgeheißen wird.“
Die Gakkai
Die ‚Usui Reiki Ryoho Gakkai‘ ist ein Verein von Usuis Reiki-Heilungssystem in Japan. Vermutlich weicht auch das hier gelehrte Reiki von dem Reiki ab, das Mikao Usui ursprünglich vermittelt hat.
Dieser Verein besteht auch heute noch.
Weitere Entdeckungen zu Reiki
Auch andere von Usuis Schülerinnen, die den Grad des Shinpiden erreicht haben, haben Reiki weitergegeben. So gibt es in Japan zum Beispiel eine spirituelle Gemeinschaft, die eine einfache Technik des intuitiven Handauflegens ausführt, die auch Verstärkungen des Energiekanals beinhaltet. Sie basiert auf der Tradition von einem Schüler Usuis, der von ihm den Meister-/Lehrer-Grad eingeführt worden ist.
Dieses alte traditionelle Wissen von Reiki wird auch als „Shin Reiki“ bezeichnet. Es enthält noch weitere, Übungen/Methoden, die den am stärksten verbreiteten Stil, das sogenannte USUI-System erweitern oder ersetzen. Es enthält viele sehr hilfreiche Elemente, die dem ursprünglichen Reiki von Mikao Usui möglichst nahekommen sollen. Sie stammen zum einen von Frank Arjava Petter und Hiroshi Doi und sind angelehnt an die Gakkai und zum anderen von einem weiteren Reiki-Meister, der über 30 Jahre in Japan verbrachte. Dort hat er Reiki-Techniken von zumindest einer Schülerin von Mikao Usui gelernt, die nicht verändert worden sind.
Was ist nun das "richtige" Reiki?
Wichtiger als die einzig wahre Geschichte ist meines Erachtens, was wirksam ist und was das persönliche Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung voranbringt. Daher glaube ich, dass es nicht um das „richtige“ oder „falsche“ Reiki geht. Es geht viel mehr um die Erfahrungen und Erlebnisse. Und da höre ich von unterschiedlichen Reiki-Stilen ähnliche, faszinierende Eindrücke. Außerdem denke ich, dass es nur natürlich ist, dass sich Dinge weiterentwickeln und verändern. Das ist der Lauf des Lebens.
Für mich ist ein wichtiges Merkmal von Reiki ein wertschätzender Umgang mit der Energie und anderen Menschen und Lebewesen insgesamt. Das wäre für mich auch das Kriterium dafür, bei wem ich Reiki lerne und bei wem nicht.
Und hat man Reiki gelernt, liegt es bei jedem persönlich, was man daraus macht und wie man sich selbst und später auch anderen damit hilft.
Ich persönlich mag die wertschätzende, bodenständige Philosophie (siehe die Reiki-Lebensprinzipien) und die schlichten und sehr wirkungsvollen Meditationen und Behandlungsmethoden des Shin Reiki einfach sehr.
Quellen
Taggart King von Reiki Evolution: Die Bücher zum ersten und zweiten Reiki-Grad von 2004 und 2005. Inzwischen hat Taggart King sie jedoch überarbeitet. Es lohnt sich jedoch trotzdem sehr. Einige Informationen sind aus der überarbeiteten Version von 2009. Sie sind auf Englisch und auf Taggart Kings Webseite (z.B. zum Download) sowie bei Amazon erhältlich.
Lübeck, Walter, Petter, Frank Arjava & Rand, William Lee (2002). Das Reiki-Kompendium, 2. Aufl. Aitrang: Windpferd.